Predigt hören und lesen

Pfarrsprengel Adelby-Engelsby in Flensburg



Gott gebe uns ein Herz für Gottes Wort und ein Wort für unser Herz. AMEN

Meine Großmutter war eine Pflanzenliebhaberin. Nachdem sie ihren Garten aufgeben musste, holte sie sich die Pflanzenwelt zu sich nach Hause. Man konnte sich bei ihr an liebreizenden Orchideen, Azaleen und Amaryllis erfreuen- sie hatte einen bemerkenswerten grünen Daumen. Aber: man musste auch immer aufpassen, dass man im Wohnzimmer nicht zu sehr tobte. Denn neben Sesseln und Fußhockern stand dieser riesige Kaktus. So ein großer runder Dornenball in Bodennähe. „Das Schwiegermutterkissen“ nannte meine Großmutter ihn augenzwinkernd und wer sie kannte, der weiß, dass sie ihre eigene Schwiegermutter nur zu gerne darauf platziert hätte. Die beiden hatten ein angespanntes Verhältnis.

Unbequemes und Stacheliges wird irgendwie häufig mit Schwiegermüttern assoziiert. Die Beziehung zwischen Schwiegermüttern und in die Familie gebrachten Partner:innen ist manchmal nicht einfach, so wie Beziehungen von Frauen untereinander insgesamt oft konfliktbeladen und von Konkurrenz geprägt sind. Von Stutenbissigkeit ist da dann die Rede und da schwingen stereotype Klischees mit, die Rollen prägen und lange geprägt haben. Wie schön, deshalb von Ruth und Noomi zu lesen. Eine Frauengeschichte, die irgendwie anders funktioniert, die aber auch kein Märchen ist und die Schwierigkeiten ihrer Zeit nicht ausblendet.

Von Ruth und Noomi haben wir in der Lesung aus dem ersten Testament gehört. Da sorgt eine Hungersnot dafür, dass eine Familie ihre Heimat verlässt und ins Land Moab geht, sich dort niederlässt. Die zwei Söhne heiraten Frauen. Dann stirbt zuerst der Vater und schließlich die beiden Söhne. Übrig bleiben die Schwiegermutter und ihre zwei Schwiegertöchter. Also drei Frauen. Und es gibt keine männlichen Enkel, die sie versorgen könnten. Keine weiteren Söhne, die sie anstelle der verstorbenen Brüder heiraten könnten, so wie es damals üblich war. Für die damalige Zeit ein Drama. Denn eine Frau war ohne Mann nichts wert, musste sich schlimmstenfalls prostituieren oder betteln gehen. Sie war den Übergriffen der patriarchalen Welt schutzlos ausgesetzt. Und eine Witwenrente gab es nicht. Die Schwiegermutter Noomi überlegt deshalb, was zu tun ist. Und so fordert sie ihre beiden Schwiegertöchter auf, sich neue Männer zu suchen und eine Familie zu gründen. Sie selbst will zurück nach Bethlehem gehen, ihrem Geburtsort. Dort, so heißt es, werde mehr Rücksicht auf Witwen genommen, dort ist die Wahrscheinlichkeit größer, noch einen Almosen zu bekommen, und dort lebt ein entfernter Verwandter, der Ansprechpartner sein könnte. Die eine Schwiegertochter Orpa lässt sich auf diesen Vorschlag ein, nicht ohne Tränen und Sorge um Noomi. Rut aber, die andere Schwiegertochter zeigt sich solidarisch. Sie will Noomi nicht von der Seite weichen, sie bis nach Bethlehem begleiten und dort mit ihr sesshaft werden. „Denn wo auch immer du hingehst, da gehe ich hin, und wo auch immer du übernachtest, da übernachte auch ich. Dein Volk ist mein Volk, dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich, dort will ich begraben werden. Gott tue mir alles Mögliche an, denn nur der Tod wird dich und mich trennen!“ Ein Spruch, den viele vermutlich mit Hochzeiten verbinden, denn er wird gerne als Trauspruch gewählt. In der Ursprache des ersten Testaments, nämlich im Hebräischen wird für diese Haltung das Wort haesed verwendet. Uneigennützige Solidarität ist damit gemeint. Bis das der Tod uns scheidet. Rut ist bereit, diesen Weg mit Noomi zu gehen hinein in ein für sie fremdes Land. Das lässt sie beispielhaft wirken, kommen Menschen aus Moab doch sonst eigentlich weniger gut weg in den Erzählungen des ersten Testaments. Moabiterinnen galten als fremdländische Verführerinnen und die Ehen mit ihnen wurden später verurteilt und als falsch empfunden. Im vorliegenden Text aber ist nichts davon zu spüren. Rut, das heißt übersetzt „Freundschaft“. Und von dieser Freundschaft erzählt die Geschichte.

Und ich greife mal vor: diese Geschichte geht gut aus. Durch die Haltung der uneigennützigen Solidarität gelingt es den beiden, ihr Überleben zu sichern. Rut schafft es couragiert, sich und die Schwiegermutter notdürftig zu ernähren und heiratet in Bethlehem schließlich den entfernten Verwandten Boas. Dass sie als Ausländerin nach Bethlehem kommt, wird nirgendwo groß kommentiert, geschweige denn problematisiert. Sie wird freundlich aufgenommen. Etwas, das man Menschen, die neu nach Deutschland kommen eben doch auch heute sehr wünschen würde.

Die Geschichte von Rut und Noomi sticht durchaus hervor aus anderen biblischen Texten. Ungewöhnlich ist, dass sie aus der Geschichte von Frauen erzählt wird, was in der Forschung dazu geführt hat, dass als Autor:innenschaft weise Frauen angenommen wurden. Auffällig sind die Parallelen zur Erzeltern-Erzählung von Abraham und Sara, die ebenfalls kinderlos sind und vor einer Hungersnot in Ägypten fliehen müssen.  Auch sie bekommen wie Ruth später ein Kind. Auffällig sind auch Anlehnungen an das weisheitliche Buch Hiob, denn Noomi klagt und hadert mit Gott, wechselt ihren Namen. „Mara“, die Bittere will sie genannt werden. Wie gut, dass sie mit ihrer Depression nicht alleine ist! Und schließlich taucht Ruths Sohn, den sie noch kriegt, auf in einer ganz besonderen Ahnengalerie: er ist einer der Vorfahren Davids auf den wiederum geht Jesu Herkunft zurück. Als einzige Frau und Ahnmutter wird Ruth deshalb im Matthäus-Evangelium genannt. Eine Frauengeschichte, die über patriarchale Missstände erzählt und doch irgendwie das Bestmögliche daraus macht. Das ist eine Geschichte, die mir wirklich gut gefällt. Bricht sie doch mit den gängigen Klischees von bösen Schwiegermüttern und genervten Schwiegertöchtern. Zeigt sie doch auf, was für ein wundervolles Erbe (nämlich Jesus selbst) so ein Schulterschluss unter Frauen doch hervorbringen kann.

Also will ich meinen Blick gerne verstärkt auf die anderen Beispiele richten: da, wo Frauen einander stützen, sich solidarisieren,  einander gut tun. Und diesen Beispielen noch weitere hinzufügen. Solche, welche die Grenzen des Patriarchats nicht nur Antasten wie bei Rut und Noomi, sondern es auch wirklich zersetzen. Denn die Welt lebt von Solidarität- uneigennütziger Solidarität. AMEN

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